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leon

Er sitzt Helle Mitte an der Haltestelle. Es regnet in Strömen. Als er aufsteht fällt ihm Kleingeld aus der Jackentasche, ein paar Cent die er einsammelt ehe er den Bus betritt. Viel zu früh für ein Kind alleine hier draußen. Nass und verfroren steht er vor mir.

Er will nach Mahlsdorf, hat aber kein Ticket. Auf die Frage was er dort will schweigt der kleine Mann. Wo er herkommt zu so nachtschlafender Zeit will ich wissen und wieso er sich alleine hier draußen herumtreibt. Er will nach Mahlsdorf, mehr ist nicht zu erfahren. Die trotzig unsichere Haltung, die nassen Schuhe und der Gesichtsausdruck zeigen mir ein alleine gelassenes Kind. Er zählt mir die neunundvierzig Cent Kleingeld vor.

Ich überlege über die Leitstelle die Polizei zu informieren, muss aber auch langsam weiter. Die Durchfahrzeit ist vor sechs Uhr noch reichlich knapp bemessen, für Eventualitäten eigentlich kein Platz. Außerdem wirkt der Junge alles andere als hilflos und seine Haltung macht eines deutlich: Er will dorthin.

Natürlich nehme ich ihn mit, auch ohne Fahrschein. Er sitzt rechts hinter mir und ich versuche ein Gespräch. Er aber dreht den Spieß sofort um und fragt mich aus. Ich erzähle ihm ein wenig über das Busfahrerdasein um sein Vertrauen zu gewinnen. Die Hönower Strasse runter wird’s dann doch Zeit für ein paar Antworten seinerseits. Ich muss das vor der Endstelle entscheiden.

Er ist nur wenig bockig. Auch er weiß, dass die Fahrt bald endet, also kennt er die Gegend und die Strecke. Seine Antwort er wolle seinen Vater früh an der S-Bahn abholen, wenn dieser von der Nachtschicht kommt scheint mir gewagt aber irgendwie auch nicht ausgedacht. Ich hake weiter nach. Wie er heißt, wie alt er ist und noch mal wo er denn hergekommen sei?

Leon ist sieben, seine Eltern sind getrennt. Mutter in Hellersdorf, Vater in Mahlsdorf.  Das macht Sinn, auch morgens um fünf. Weil es muss. Leons Mutter beginnt um halb sechs ihre Arbeit bei einer Gebäudereinigung. Sie Nimmt die U Bahn, nachdem sie ihn an der Haltestelle abgesetzt hat. Zur Schule geht er in Mahlsdorf wo der Vater wohnt. Dort bekommt er ein Frühstück, dort stehen seine Schulsachen.

Nach der Schule geht er noch mal zum Vater, dann gegen fünf fährt er mit dem 195er zur Mutter wo er die Nacht verbringt. Ein Kind im zwölf Stunden Rhythmus zwischen Hellersdorf und Mahlsdorf. Die Wocheneden wechselseitig, Geschwister hat er keine.

Ich frage warum er kein Schülerticket hat. Er vergisst es oft bei den Schulsachen und den Eurovierzig, den die Mutter ihm dann für den Fahrschein gibt braucht er für Chips und Cola.

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